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Das Salzkammergut und die
Kulturhauptstadt Europas 2024

Der Titel „Kulturhauptstadt Europas“ wird seit 1985 an Städte und Regionen in Europa verliehen. Das Ziel ist, die Vielfalt der europäischen Lebensrealitäten sichtbar zu machen, gegenseitiges Verständnis zu fördern und nachhaltige Impulse zur Stadt- und Regionalentwicklung zu setzen. Seit wenigen Jahren können sich neben Städten auch mehrere Orte gemeinsam als Kulturhauptstadt-Region bewerben. Der Zusammenschluss von 23 Gemeinden stellt aber ein Novum in der Geschichte der Kulturhauptstadt Europas dar.

Das Kulturprogramm von knapp 200 Projekten ist gefüttert von internationalen Impulsen, die neue Stimmen und Sichtweisen ins Salzkammergut bringen. Aus dem Salz entstanden, durch das Salz reich geworden und mit dem Salz geht es in die Zukunft: Kultur ist das neue Salz.

Das Programm der Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut 2024 hat sich vier Programmlinien verschrieben: MACHT UND TRADITION, KULTUR IM FLUSS, SHARING SALZKAMMERGUT – Die Kunst des Reisens und GLOBALOKAL – Building The New. Die interventa Hallstatt 2024 ist als Schlüsselprojekt der Programmlinie „GLOBALOKAL – Building the New“. Hier geht es darum, die Welt von Morgen zu denken und Handlungsstrategien zu erarbeiten, aber auch auf die Spannungsverhältnisse zwischen den Generationen einzugehen.

Informationen zu den anderen Programmlinien finden Sie hier.


Baukultur im Salzkammergut

– ein historischer Abriss

Exemplarisch für die ganze Region soll Hallstatt zum inspirierenden Zentrum regionaler und internationaler Vernetzung und des interdisziplinären Austausches werden. Hallstatt wird zur Bühne, wo sich Theorie und Praxis zur Anwendung und Wissensproduktion verknüpfen, um zukünftige Synergien und Allianzen zu bilden.

Als Spielort dient die HTBLA, welche Baukultur in den Fokus von öffentlichem und privatem Interesse stellt, Baukultur der Tradition verpflichtet und die Region verbunden und zeitgenössisch interpretiert.
Das Salzkammergut blickt auf eine historische Entwicklung der architektonischen Besonderheiten zurück, die eine spannende Geschichte erzählen und heutige Besonderheiten herausstellen.

Bereits 1300 v. Chr. wurde Hallstatt zum Industriegebiet, welches das gewonnene Salz – vornehmlich zur Lebensmittelkonservierung – exportierte (Buttinger, 2024). Die Wälder im Salzkammergut scheinen trotz des unheimlichen Holzbedarfs der Saline über Jahrtausende nachhaltig und vorausschauend bis heute bewirtschaftet worden zu sein (Salzwelten, o.D.). Es entstand eine Kulturlandschaft, geprägt durch Bergbau, Salzproduktion und Wasserhaltung von Flüssen und Seen für Holztrift und Salztransport.

Schon frühzeitig entwickelte sich ein hochspezialisiertes Wissen um Material und Konstruktion, viele technische Denkmäler bezeugen dies noch heute. Die „absolute Salzwirtschaft“ hatte Vorrang vor allen anderen Wirtschaftsformen, auch vor der Land- und Almwirtschaft (Jeschke, 2020, S.32f.).

Seit 1524 flossen die Einnahmen aus dem Salz direkt in die Reichsschatzkammer der regierenden Habsburger. Aus Sorge vor Konkurrenz war das Areal Jahrhunderte lang hermetisch abgeriegelt und nur mit Genehmigung der Salzkammerverwaltung zugänglich. Bis 1786 hatte diese alle administrativen und gerichtlichen Befugnisse über die „Kammergut-Arbeiter*innen“. Sie genossen Privilegien, was die gesicherte Versorgung und Befreiung vom Militärdienst betraf, wurden aber durch geringe Entlohnung – meist in Form von Naturalien – in Armut und Abhängigkeit gehalten.

Erst 1850 wurde der „Untertanenverband“, die Abhängigkeit der Kammerarbeiter*innen, beendet und das dafür zuständige Salzamt aufgelöst (Interessengemeinschaft Mitterbergstollen, o.D.). Noch heute sind die Vorschriften der ehemaligen Salzkammerverwaltung für eine holzsparende und holzerhaltende Ausführung an den damaligen Wohn- und Wirtschaftsbauten zu erkennen (Jeschke, 2006, S.85).

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts bildete Jean Jaques Rousseaus Briefroman „Julie, ou la Nouvelle Héloise“ (1761) einen Ansatzpunkt für die Betrachtung der Alpen als eine Art irdisches Paradies der moralischen Lauterkeit, die Schweizer Alpen wurden zum „Bewertungsmaßstab“ dafür (Jeschke, 2006, S.25).

Als Sommerresidenzen wurden Villen, im Stil des Historismus und seiner Variante, dem „Schweizer Stil“ von Adel und Großbürgertum gebaut, um während der Sommerfrische eine Salonkultur zu pflegen, in der sich Künstler*innen und Intellektuelle wie Gustav Klimt, Gustav Mahler, Arnold Schönberg und Sigmund Freud, Eugenie Schwarzwald, um nur einige zu nennen, austauschen konnten.

Mit der Wiener Weltausstellung 1873 und den extra für die Ausstellungszeit in Zimmermannsbauweise günstig und schnell gebauten Pavillons wie dem Schweizer Haus wurden sowohl städtische Käufer*innen zum Umbau von alten Bauernhäusern in Sommervillen, als auch die ansässige Landbevölkerung zum Anbau von Veranden und Balkonen zur besseren Vermietbarkeit an Sommergäste angeregt (Schiefer, 2023, S.14f.).

Von 1938-1945, in der Zeit des Nationalsozialismus, wurden alleine in Bad Ischl achtundneunzig Liegenschaften jüdischer Besitzer entzogen, die Aufarbeitung und Restitution war zögerlich, die Salonkultur des intellektuellen Austausches zerstört (Höllinger, 2011, S.5)

Nach 1945 setzte mit der Errichtung von Industriebauten, Appartementhäusern, Hotels und zahlreichen Haupt- und Zweitwohnsitzen eine rege Bautätigkeit mit Baumaterialien und Typologien ein, die von der lokalen Tradition losgelöst waren.

Dies konnte den Wunsch nach folkloristischen Sehnsuchtsorten nicht bedienen und mit Beginn des neuen Jahrtausends wurden die Dekorationselemente des „Schweizer Stils“ oft über die Maßen wiederbelebt.

Auch bei dem 2007 fertiggestellten Gebäude-Komplex „Oase Berta“ könnte man einen Bezug zu den Pavillons der Wiener Weltausstellung 1873 herstellen – aber fernab der Rezeption von Dekor ist hier die Verbindung im Konstruktiven gegeben: vorgefertigte, wandhohe Module aus Massivholzplatten, die die gestaffelten Baukörper bilden und eine Funktionsmischung von betreuter Tageswerkstätte mit einem öffentlichen Veranstaltungsraum und Mietappartements sowohl für Gäste als auch Angehörige aufnehmen. Der von Sepp Holzer angelegte Permakultur-Garten wird gemeinschaftlich landwirtschaftlich genutzt.

Buttinger K. (20.01.2024): Das Salzkammergut: Schönes, armes, reiches Land. [online] https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/das-salzkammergut-schoenes-armes-reiches-land;art4,3914959 [abgerufen am 25.03.2024].

Höllinger N. (2011): Die Causa Löhner: Vermögensentzug („Arisierungen“) an jüdischen Liegenschaften in Bad Ischl. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur.

Interessengemeinschaft Mitterbergstollen (o.D.): Verwaltung des Salzkammergutes. [online] https://www.viasalis.at/verwaltung-des-salzkammergutes [abgerufen am 25.03.2024].

Jeschke, H.P. (2006). Der Kern des Inneren Salzkammergutes in der „Arche Noah “der Kulturdenkmäler und Naturparadiese der Welt von Morgen. In: Die Historische Kulturlandschaft Hallstatt− Dachstein/Salzkammergut− ein Juwel der UNESCO-Schatzkammer der Menschheit, 2006, S.25, 85.

Jeschke, H.P. (2020): Memorandum für ein europäisches Netzwerk. In: Heimatblätter, Beiträge zur österreichischen Landeskultur, 2020, S.32-33.

Salzwelten (o.D): Archälog:innen in Hallstatt. [online] https://www.salzwelten.at/de/blog/hallstatt-7000-jahre-salzgeschichte [abgerufen am 25.03.2024].

Schieferer J. (2024): Sommertraum. In: Salzlerin, 2023, Nr.4, S.14-15.

© Julian Elliott

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